Zur Urgeschichte der Deutschen by Friedrich Engels
Autor:Friedrich Engels [Engels, Friedrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00
Fortschritte bis zur Völkerwanderung
Mit Tacitus und Ptolemäus versiegen die schriftlichen Quellen über Zustände und Vorgänge im innern Deutschlands. Dafür tut sich uns eine Reihe anderer, viel anschaulicherer Quellen auf: die Funde von Altertümern, soweit sie sich auf den vorliegenden Zeitabschnitt zurückführen lassen.
Daß zu Plinius' und Tacitus' Zeit der Handel der Römer mit dem innern Deutschlands fast Null war, haben wir gesehn. Aber wir finden bei Plinius doch die Andeutung eines alten, noch zu seiner Zeit dann und wann benutzten Handelswegs von Carnuntum (gegenüber der Mündung der March in die Donau), die March und Oder entlang nach der Bernsteinküste. Dieser Weg sowie ein zweiter durch Böhmen, die Elbe entlang. Ist wahrscheinlich schon in sehr früher Zeit von den Etruskern benutzt worden, deren Anwesenheit in den nördlichen Alpentälern durch zahlreiche Funde, besonders den Hallstätter Fund, erwiesen ist. Der Einbruch der Gallier nach Oberitalien soll diesem Handel ein Ende gemacht haben (gegen – 400) (Boyd Dawkins). Bestätigt sich diese Ansicht, so müßte dieser etruskische Handelsverkehr, hauptsächlich Einfuhr von Bronzewaren, mit den Völkern stattgefunden haben, die vor den Deutschen das Land an Weichsel und Elbe besetzt hielten, also wohl mit Kelten, und die Einwanderung der Deutschen würde dann wohl ebensoviel mit seiner Unterbrechung zu tun haben wie der Rückstrom der Kelten nach Italien. Erst seit dieser Unterbrechung scheint der östlichere Handelsweg, von den griechischen Städten des Schwarzen Meers den Dnjestr wie den Dnjepr entlang, nach der Gegend an der Weichselmündung aufgekommen zu sein. Dafür sprechen die bei Bromberg, auf der Insel Ösel und andern Orten gefundnen alten griechischen Münzen; es sind darunter Stücke aus dem vierten, vielleicht aus dem fünften Jahrhundert vor unsrer Zeitrechnung, geprägt in Griechenland, Italien, Sizilien, Cyrene usw.
Die unterbrochenen Handelswege längs der Oder und Elbe mußten sich von selbst wiederherstellen, sobald die wandernden Völker zur Ruhe kamen. Zur Zeit des Ptolemäus scheinen nicht nur diese, sondern auch noch andre Verkehrswege durch Deutschland wieder in Aufnahme gekommen zu sein, und wo Ptolemäus' Zeugnis aufhört, da fahren die Funde fort zu sprechen.
C. F. Wiberg3 hat durch sorgfältige Zusammenstellung der Funde hier vieles klargestellt und den Nachweis geliefert, daß im 2. Jahrhundert unsrer Zeitrechnung die Handelswege sowohl durch Schlesien die Oder wie durch[450] Böhmen die Elbe hinab wieder benutzt wurden. In Böhmen erwähnt schon Tacitus
»Beuteaufkäufer und Händler« (lixae ac negotiatores) »aus unsern Provinzen, die Geldgier und Vaterlandsvergessenheit ins feindliche Gebiet und an das Heerlager des Maroboduus geführt hatte«.
Ebenso haben die Hermunduren, die, seit langem mit den Römern befreundet, nach Tacitus in den Dekumatländern und Rhätien bis nach Augsburg ungehindert verkehrten, wohl jedenfalls römische Waren und Münzen vom Obermain zur Saale und Werra weitervertrieben. Auch weiter abwärts am römischen Grenzwall, an der Lahn, zeigen sich Spuren eines Handelswegs ins Innere.
Der bedeutendste Weg scheint der durch Mähren und Schlesien geblieben zu sein. Die Wasserscheide zwischen March resp. BeČva und Oder, die einzige, die zu überschreiten ist, geht durch ein offnes Hügelland und liegt unter 325 Meter Meereshöhe; die Eisenbahn geht noch jetzt hierher. Von Niederschlesien an öffnet sich die norddeutsche Tiefebene und erlaubt Wegen, in allen Richtungen zur Weichsel und Elbe abzuzweigen.
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